Gastbeitrag von Marcus Klippgen, Hamburg
75% aller Neuwagen sind heutzutage Schwarz-, Grau-, Silbermetallic oder Weiß. Nichts gegen diese Farben. Doch eintöniger kann unser Straßenbild kaum noch werden. Einzige Hoffnungsschimmer von Individualität sind Blau mit 10% und Rot mit knapp 7%. Das zwischenzeitlich modische Braun scheint mit nur 3% schon wieder auf dem Rückzug. Gelb schafft erstaunliche 1,5%, allerdings dürften in dessen statistische Kategorie auch Goldmetallictöne fallen. Grün kommt heute gerade mal noch auf 1,3%, Orange oder Lila liegen unter 1%.
Entsprechend eintönig geben sich die Farbkarten der Autohersteller: Schwarz und Weiß werden meist in je zwei Schattierungen feilgeboten, daneben pflegen mindestens drei Grauschattierungen zur Wahl zu stehen – getreu dem Geschmack des Weltmarktes, auf dem Europa mittlerweile nur noch eine ungeordnete Rolle spielt. Für Chinesen und Amerikaner ist Grün als Autofarbe abwegig, selbst Blau gilt dort schon als Exot. Daher bieten selbst Ur-Briten wie Jaguar und Land Rover mittlerweile kein „BRG“ mehr an – jedenfalls nicht als Serienfarbe. Und das gilt leider auch für Porsche. Dabei war Dunkelgrün Ferry Porsches Lieblingsfarbe.
Liegt es wirklich nur am „einfacheren Wiederverkauf“, dass 75% der Neuwagenkäufer eine unbunte Farbe wählen? Oder scheut man sich heute davor, mit seinem Auto aufzufallen? Steht man noch zu Marke und Modell? Oder gilt ein schneller Wagen heutzutage schon so sehr als „ökosoziale Provokation“, dass man ihm wenigstens chromatisch die Spitze zu nehmen trachtet? Mit Blick auf unsere selbsternannten Umweltkalifen scheint dieses Motiv nicht ganz abwegig. Die Heilige Öko-Inquisition verordnet uns ja lieber Lithium-Ionen-getriebene Autos, deren CO2-Aquivalent bereits bei 17 Tonnen liegt, bevor sie nur einen Meter gefahren sind. Doch das ist ein anderes Thema…
Zurückhaltend waren die Autofarben früher schon einmal – auch bei Porsche
In den 50er Jahren dominierten dort gebrochenes Weiß, Beige, Grau, Schwarz, gedämpftes Rot und Silber. Allerdings gab durchaus auch gedecktes Blau, dezente Grüntöne oder Blassgelb. Das waren ganz überwiegend Nicht-Metallic-, also Uni-Töne. Zwar gab es schon Metallicfarben, aber sie waren teurer und ließen sie sich im Reparaturfall nur schwer farbgetreu wiederherstellen. Übrigens erst ab den 80er Jahren beherrschte man tiefdunkle Metallictöne.
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Ferry Porsche 1954 und 1968 mit Söhnen und Neffe F. Piech (Porsche Werkfoto)
Der Vergleich der obigen zwei Fotos zeigt, um wie viel farbenfroher die 60er Jahre wurden – zumindest bei Ferry Porsche. Sein Motorsport- und PR-Chef Huschke v. Hanstein war ein trefflicher Markenbotschafter. Unter Adligen und Illustren galt Porschefahren als schick. Den Rest besorgten Werbeanzeigen wie zwei unten gezeigten von 1966 und `67. Zwar längst nicht für alle, aber doch immerhin für ein paar smarte Aufsteiger rückte der Traum eines Porsche in greifbare Nähe. Denn das Wirtschaftswunder boomte. Stete Nahrung erhielt der Traum auch durch Porsches Motorsporterfolge. Kaum ein anderer Hersteller folgte über Jahrzehnte so konsequent dem „Win on sunday, sell on monday“. Es hieß ja, Porsche betreibe Rennsport, um Autos zu verkaufen – Ferrari dagegen verkaufe Autos, um Rennsport zu machen. Die Wahrheit lag dazwischen, zumal in beiden Fällen übergeordnete Interessen mitwirkten – luftgekühlte aus Wolfsburg, nationale aus Turin.
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Damalige Porsche Werbeanzeigen (Porsche Werkfotos)
Wie allerdings der Gestus der Protagonistin auf dem rechten Motiv erahnen lässt, war es mit der Emanzipation der Frau noch nicht allzu weit her. Noch schienen die Rollenverteilung der Geschlechter und auch das gesellschaftliche „Schichtenmodell“ fest gefügt.
Die Gegenrebellion erfolgte 1968. Und in deren Gefolge der Aufbruch in die poppigen 70er Jahre. Deren Szenario ging zweifellos mit Übertreibungen einher – auch formalen. So mögen wir heute über Love & Peace in Woodstock lächeln, über Schlaghosen, Plateausohlen und riesige Hemdkragen, über Oswald Kolles Aufklärungsfilme oder das Musical „Hair“.
Gewiss war vieles in den 70ern aus heutiger Sicht naiv, nicht zuletzt das vorherrschende Politparadigma „Westen = gut, Osten = böse, Norden = reich, Süden = arm“. Auch war der Begriff „Gender Mainstreaming“ noch nicht erfunden. Werbevoyeurismen wie den rechts gezeigten nähme man heute maximal humorlos. Aber die sich damals nachgerade explosionsartig vollziehende Befreiung von Muff und Spießertum, das „Coming out“ der Facharbeiter- und Mittelschicht (dem Deutschland bis heute seine soziale Stabilität verdankt) fand seinen Ausdruck eben auch im Farbgeschmack der 70er Jahre. Das bezeugt dieses Bild von 1974:
Wie unschwer zu erkennen, handelt es sich um eine Ladung Porsche 911 RS – genauer gesagt um noch wesentlich stärkere „RSR 3,0“ in Turbobreite. Sie waren bestimmt für die USA, deren damals führende Rennfahrerriege auf zwölf technisch identischen Renn-Elfern die „IROC“-Serie austrug. Für den Einsatz bei diesem „International Race of Champions“ wurde der “Bürzel” in den USA dann noch gegen den aerodynamisch wirkungsvolleren Flügel des 1974 brandneuen „Turbo“ ausgetauscht (s. u.). Damit man vor Ort drei Rennautos in Reserve hatte, lieferte Porsche nicht nur 12, sondern insgesamt 15 solcher „RSR 3,0“ – und zwar in 15 verschiedenen Unifarben, die im Modelljahr `74 serienmäßig angeboten wurden:
Vergleichen Sie das einmal mit dem heutigen Straßenbild! Die obige Zuordnung der `74er Farbnamen verdanken wir übrigens der Recherche des Wiener Porschefachmannes Dr. Georg Konradsheim, unter anderem Autor des Buches „Carrera RS“ – für Sammler das ultimative Standardwerk.
Nun ist es leider nicht möglich, im Rahmen dieses Beitrags alle Farben zu besprechen, die es beim Porsche 911 gab. Allein bei den frühen Elfern dürften es an die hundert gewesen sein. Wer hier tiefer einsteigen möchte, denn dem sei die private Website www.elferclassic.de empfohlen. Dort findet sich eine Übersicht über sämtliche 911-Farben bis heute – eine Herkulesarbeit, die Respekt verdient. Wir beschränken wir uns im Folgenden nur auf eine Auswahl aus Serienfarben, die im Modelljahrgang `73 angeboten wurden – also bei der bereits wieder ölklappenlosen 2,4 l „F-Baureihe“, die von 09/72 – 08/73 gebaut wurde. Man erkennt sie an den schwarzen Lufteinlassgittern vorn und dem bereits ab Grundmodell „T“ serienmäßigen Frontspoiler. Entwicklungschef Ferdinand Piech hatte die F-Baureihe noch unmittelbar beeinflusst, dann trennte man bei Porsche Kapital und Management voneinander. Bevor mit der „G-Baureihe“ des Modelljahres `74 die – qua US „bumper regulations“ – massiven Faltenbalg-Stoßfänger Einzug hielten, trug die „F-Baureihe als letzte die schlanken Stoßstangen des Ur-Elfers. Deren Farbenpracht schauen wir uns nun an:
Weiß
Porscheweiß hatte seit Anbeginn (siehe oberes Bild) „Hellelfenbein“ geheißen, was bis Ende der F-Baureihe (08/1973) auch so blieb. „Hellelfenbein“ und war ein leicht gebrochenes Weiß, das in Verbindung mit den üblichen Chromteilen recht elegant war. Speziell Damen wählten das unaufdringliche, fast unschuldige „Hellelfenbein“, so sie denn nicht unnötig militant daher kommen wollten – über das in der Gesellschaft damals noch vorherrschende Frauenbild sprachen wir ja. Erst mit der G-Baureihe des Modelljahrs `74 (ab 09/1973) wurde „Hellelfenbein“ durch das schneehelle „Grand Prix Weiß“ ersetzt, das Porsche bis heute unverändert anbietet. Wie man im Vergleichsbild sieht, kontrastiert „Grand Prix Weiß“ vortrefflich mit den schwarzen Applikationen und Fensterrahmen der so genannten „G-Modelle“, auch beim Targa und dem späteren Cabriolet.
Beigetöne
Zumal Beige in den 70ern durchaus noch populär war, gab es im Modelljahr `73 gleich zwei Sonderfarben: Elfenbein“ (siehe Bild oben) und „Beigegrau“ – unten auf einem etwas wilderen Exemplar.
Beige war bis in die 70er so etwas wie eine „Funktionsfarbe“ – im Straßenverkehr gut sichtbar, aber unaufdringlich, daher mehrheitsfähig und – wie man damals zu sagen pflegte – „nicht ganz so schmutzempfindlich“ wie Weiß. Wer Beige bestellte, dürfte also der eher rationale Typ gewesen sein. Das scheint irgendwie nicht zu einem Porsche zu passen. Doch konnte die schönste Form des Fahrens irrational sein? Heute ist sie es vielleicht schon eher, denken wir an die mittlerweile herrschende Verkehrsdichte und allgegenwärtige Tempolimits.
„Beigegrau“ wirkt so minimalistisch, dass es unter 911-Freaks heute schwer angesagt ist. Weil es seinerzeit allerdings nur selten geordert wurde, sind heutige Elfer im Beigegrau vielfach umlackiert – also keine Originale. Von „Originalität“ kann übrigens auch nicht bei den meist auf Basis des `74er 2,7 l-Carrera zu „Bürzel-RS“ umgebauten Exemplaren die Rede sein. Geschweige denn bei heutigen RS-Retros auf Basis des 964/993. So beeindruckend 3,6 – 4,0 l Hubraum und moderne Technik im durchaus geschmackvoll interpretierten Look eines `73er RS auch sein mögen: Mit Klassik hat das nichts zu tun. Sondern leider eher mit Geldvernichtung.
Silber
Wie alle Metalliclackierungen kostete „Silber metallic“ Aufpreis, war aber sportlich-elegant und entsprechend verbreitet. Anders als in den unten vorgestellten, knalligen Signalfarben kommt ein 911 in „Silber metallic“ dezent gediegen daher, wirkt allerdings ohne grün getönte Verglasung etwas „farblos“, zumal sich Chromteile nur bedingt von Silber absetzen.
„Silber metallic“ steht dem Coupé unseres Erachtens besser als dem Targa. Denn der von F. A. Porsche bewusst silbrig schimmernd abgesetzte Überrollbügel braucht ein „chromatisches Widerlager“. Ist der Wagen silbermetallic, hebt sich der Nirosta silberne Bügel nur unzureichend ab, wodurch der Gesamtkörper an ein umgedrehtes „T“, also an ein unvorteilhaftes ein „ ┴ “ erinnert. Ein gar in Wagenfarbe lackierter Targabügel würde diesen Effekt noch verstärken und gehört daher ins Tuninggruselkabinett.
Graumetallic und Schwarz
Zu „Grau- oder Anthrazitmetallic“ können wir mit keinem Foto dienen, weil es diese Farbe im Modelljahrgang `73 noch nicht gab. Erst ab Mitte der 70er gerieten Graumetallictöne auf breiter Front in Mode. Anfang der 80er kam dazu die „Schwarzwelle“ auf – beides hält bis heute an. Wie jeder Premiumhersteller hatte Porsche „Schwarz“ stets als Sonderfarbe angeboten. Doch in den 60er und 70er Jahren mieden Privatleute „Schwarz“ mehrheitlich wie der Teufel das Weihwasser – vielleicht, weil es als Farbe der Taxis und behäbigen Regierungskaleschen galt? Diese Assoziation lag bei einem Porsche zwar fern, doch „Schwarz“ ist nun einmal die schmutz- und kratzempfindlichste aller Farben.
Warum also sind heute gefühlte über 50% aller neuen Elfer schwarz? Das leidige „Wiederverkaufsargument“ erwähnten wir schon. Und trotz seiner heutigen Ubiquität vermag Schwarz zu faszinieren: Frisch gewaschen lässt es die Lichtreflexe der Karosserie am deutlichsten erscheinen. Die Dunkelheit von Schwarz hat etwas Absolutes, Edles. Und wie bereits die Existenzialisten befanden, assoziiert die Negation von Farbe intellektuelle Überlegenheit, Coolness. Das macht „wichtig“. Schwarz wirkt auf einem klassischen 911 allerdings schnell schmuddelig, sofern das Auto nicht bis in die letzte Ecke absolut makellos funkelnd dasteht. Auf den späteren chromlosen Elfern tut sich Schwarz leichter.
Rot
Auch wenn Rot die Rennfarbe der Italiener ist, darf natürlich auch ein Porsche rot sein. Neben klarem Blau und Gelb ist Rot die dritte Farbe der bis heute nachwirkenden Kunst- und Designtheorie „De Stijl“ (Mondrian, Rietveld). Rot täuscht nicht, sondern ist geradeaus, unkompliziert, selbstbewusst, aber auch laut – nicht umsonst sind Warnanzeigen rot. Wer ein knallrotes Auto fährt, dokumentiert also eine gewisse Robustheit, aber auch Unabhängigkeit – nicht nur gegenüber Obrigkeiten. Es gab bei Porsche immer ein Rot, allerdings wechselten die Töne geringfügig. Das im ersten Bild oben gezeigte „Bahiarot“ des Modelljahres `73 wirkt eine Spur gedeckter als das mit der G-Baureihe des Modelljahres ´74 eingeführte klare „Indischrot“. Seither wird „Indischrot“ – wie auch „Grand Prix Weiß“ – unverändert als Serienfarbe angeboten, ausnahmsweise sogar ganz ohne Aufpreis.
Lilatöne
Das unterschwellig dekadente „Aubergine“ gehörte unter den aufpreisfreien Serienfarben des Jahrganges`73 zu den eleganteren und wurde daher speziell in den USA relativ häufig bestellt. BMW offerierte ein etwas bräunlicheres „Malaga“, Alfa-Romeo sein „Rosso Amaranto“. So hatte bis in die 70er Jahre nahezu jeder Hersteller solch einen dunklen Uni-Rot-Ton im Programm. Doch das ist lange her! Daher wirkt ein 911 in Aubergine älter als ein gleichaltriges, aber in einer vergleichsweise „modernen“ Farbe lackiertes Exemplar. Bei leicht bedecktem Himmel wirkt „Aubergine“ raffiniert, in praller Sonne changiert es indessen Richtung Lagaayfarbe „Sternrubin“, die beim 964 gab.
Geradezu psychedelisch gibt sich die Sonderfarbe „Fraise“ – ein wahrlich gewagtes Pink, welches dem Fingernagel jeder Lebensgefährtin zur Ehre gereicht. Den Mut brachten allerdings nur sehr wenige Lebensgefährten auf. Dolly Parton könnte die einzige Frau gewesen sein, die „Fraise“ bestellt hätte, hätte sie nicht einen Cadillac. Und anders als der von Elvis ist ihrer noch nicht einmal pink. Der King hat bestimmt dem IROC-Renner in „Fraise“ die Daumen gedrückt.
Flieder
Die Sonderfarbe „Flieder“ bzw. „Royal Purple“ bezeugt, dass Porsche den Farbkreis beileibe erschöpfend abdeckte. Naturgemäß sind Fliederblüten heller als Auberginen. Vielmehr ist „Flieder“ ein ins Violett neigendes „Bleu“. Auch diese Autofarbe erforderte Mut und ist auf dem 911 entsprechend selten anzutreffen.
Braun
„Sepiabraun“ droht weder mit Chamäleon-, noch Psychedelic-Effekt, sondern bleibt unter allen Licht- und Sozialgegebenheiten ein schlichtes Mittelbraun wie es jeden zweiten italienischen Herrenhalbschuh ziert. Zumal aufpreisfrei und Anfang der 70er Jahre absolut mehrheitsfähig, war dieses Uni-Braun sehr beliebt. Daher blieb „Sepiabraun“ auch Serienfarbe in der Ära der nachfolgenden „G-Modelle“. Dort gab es parallel dann auch ein „Braunkupfer metallic“. Heute gewinnt Porsches „Sepiabraun“ erst auf den zweiten Blick. Falls uns „Sepiabraun“ heute irgendwie bekannt vorkommt: Richy Müller alias Kommissar Thorsten Lannert fährt im „Tatort Stuttgart“ einen G-Targa in dieser Farbe.
Blautöne
„Albertblau“ – im Bild oben – war im Modelljahr `73 eine aufpreisfreie Serienfarbe. Aus Sicht maritim oder gar hanseatisch veranlagter Kunden war „Albertblau“ allemal seriöser als das lilastichige „Aubergine“. Allerdings hatte „Albertblau“ etwas Gräuliches und war nicht so tiefdunkel wie etwa Jaguars vornehmes „Westminster Blue“ oder das legendäre „Dunkelblau 904“ von Mercedes-Benz. Hanseaten kauften „Albertblau“ nolens volens zwar trotzdem. Aber richtig glücklich wurden sie erst in der späteren Ära der „G-Modelle“, für die Porsche ein tiefdunkles „Schwarzblau“ kreierte.
Heller war die hier gezeigte Sonderfarbe „Seeblau“ – ein leuchtendes Mittelblau, an dessen Klarheit die bereits erwähnten „De Stijl“ Designer ihre Freunde gehabt hätten. Solche sportlich kräftigen Uni-Blautöne haben bei Porsche Tradition – denken Sie z. B. an den 964 RS, den man sich eigentlich nur in „Maritimblau“ vorstellen kann…
Sonderfarben Gulfblau und Gletscherblau
Die `73er Sonderfarbe „Gulfblau“ war natürlich eine Hommage an die von John Wyer eingesetzten Rennsportwagen Porsche 917, die in den Farben des Mineralöl-Sponsors Gulf lackiert waren. Zwar siegte 1970 in Le Mans ein 917 K in den rot-weißen Farben von Porsche Salzburg (Herrmann/Attwood). Doch die vom Wyer-Team eingesetzten 917 im Gulf-typischen Hellblau mit orangefarbenem Mittelstreifen errangen 1970 und 1971 für Porsche die Markenweltmeisterschaft. Seither trug ja man ja stolz an der hinteren Seitenscheibe diesen Aufkleber:
Auch auf die Gefahr hin, dass Sie es nicht mehr hören können: Steve McQueen errichtete den Gulf-Porsches mit seinem Epos „Le Mans“ ein zwar wortkarges, aber sehenswertes Filmdenkmal. McQueen-Verehrer tragen denn auch eine viereckige „Heuer Monaco“ und „Gulf“- gebrandete Devotionalien aus einschlägigen Retrokollektionen, die auf jeder Oldtimermesse feilgeboten werden.
Das leuchtende „Gletscherblau“ bzw. „Glacier Blue“ des Modelljahres `73 war sozusagen die „Poweralternative zu Gulfblau“. So knackig wie „Gletscherblau“ war höchstens jenes „Acidblau“, das im Modelljahr `74 folgte und auch einen der fünfzehn IROC-Renner zierte.
In „Blau metallic“ – im Bild links – wirkt der 911 moderner und „technischer“ als in einem Uni-Blau. „Blau metallic“ kostete Aufpreis, sticht dafür aber weder ins Rot noch ins Grün, sondern entspricht dem lässigen Indigo einer zwanzigmal gewaschenen Levis 501. Elegant und zugleich sportlich, ist „Blau metallic“ unseres Erachtens eine der schönsten, wenn nicht die schönste Serienfarbe der `73er F-Baureihe – auch auf einem Targa. „Gemini metallic“ – im Bild rechts – wird oft mit „Blau metallic“ verwechselt. Oben muss man schon genau hinschauen, um den Farbunterschied zwischen den zwei Fotos zu erkennen. Doch in natura ist „Gemini metallic“ heller und nicht so kräftig – so als habe die 501 zusätzlich im Chlorbad verbracht. Einem Mercedes oder BMW der frühen 70er steht solch ein elegantes Hellblaumetallic vorzüglich, indessen wirkt es auf dem kompakt sportlichen 911 unseres Erachtens etwas zu blass.
Grüntöne
„Grün metallic“ war die Alternative zu „Blau metallic“. Es war genauso hell, genauso kräftig, genauso frei von Türkisstich – sozusagen „Dasselbe in Grün“. Zweifellos ebenfalls eine der schönsten Serienfarben beim F-Modell – auch auf einem Coupé.
Exkurs
Weil sie farblich an diese Stelle passen, unten drei Werbemotive aus Frühjahr 1972: Um diese Zeit zweifelte niemand mehr an der Sportlichkeit des Porsche. Allerdings ließ sich nicht leugnen, dass es mittlerweile geräumigere und hubraumstärkere Wettbewerber wie etwa BMW 3,0 CS/i, Mercedes 280/350 SL/C oder auch Alfa Romeo Montreal gab, mit denen sich Langstrecken kaum weniger zügig, aber komfortabler absolvieren ließen. Daher entwickelte die Werbeagentur DDB die unten gezeigte Anzeigenserie, die sich jeglicher Rennsporthitze enthielt, sondern überraschend kühl und elegant daherkam. Denn die Copy Strategy – um in Werberdeutsch fortzufahren – war Folgende: Reason to believe war das Brand Asset jenes kompromisslos ingenieurgetriebenen Spirit, wonach die technisch beste Lösung stets vor Menge geht (was damals bei Porsche ja so war). Kein Testimonial verkörperte diese Key Message glaubwürdiger als „Dr. Ferry Porsche“ mit Zitaten wie „Wir legen mehr Wert darauf, besonders gute Autos zu bauen, als besonders viele.“ Schlichte Headlines wie diese reichten völlig. Eine zusätzliche Bodycopy hätte nur vom elegant ins Visual gesetzten Product –> Interest –> Attention -> Desire abgelenkt. Solche Printwerbung täte heute noch funktionieren, gäbe es noch jemanden von der Credibility eines Ferry Porsche:
Das grüne `72er Coupé links war ein Sondermodell mit goldfarben eloxierten „Füchsen“ und in einer Farbe, die das erst beim späteren Carrera 3,0 lieferbare „Oakgrün metallic“ vorwegnahm. Der Targa in der Mitte könnte im bräunlichen „Burgundrot“ gewesen sein, das es als Serienfarbe nur bis `72 gab. Das `72er Coupé rechts ist eindeutig „Blau metallic“. Schön sind jedenfalls alle drei. Doch nun zurück zu den Seriengrüns von `73 und damit auch wieder zurück zur Normalsprache.
„Irischgrün“ gab es beim Elfer seit Anbeginn, im Modelljahr `73 war es Sonderfarbe. Es heißt, das „British Racing Green“ der Engländer sei einst vom satten Grün der Wiesen Irlands inspiriert worden. Wenn das stimmt, war die Bezeichnung „Irischgrün“ doppelt clever. Dieses halbdunkle Grün ist wunderbar ausgewogen, unaufgeregt, geerdet, seriös. Nicht von ungefähr bevorzugte Ferry Porsche solche Grüntöne. Angesichts des oben gezeigten, bildschönen 911 2,0 aus der Frühzeit (sog. „Short Wheel-Base“-Ära) versteht man warum. Dem – weil formal unruhigeren – Targa steht „Irischgrün“ allerdings nicht ganz so gut. Porsche bietet die Kultfarbe „Irischgrün“ bis heute auf Wunsch an, allerdings wirkt dieser Uni-Ton auf den modernen chromlosen Elfern eigenartig schmucklos. Denn Irischgrün braucht Chrom. Doch Porsche hatte ja wunderbare Grünmetallictöne, z. B. das tiefe „Tannengrün metallic“ aus der Frühzeit des 964. Man bekommt heute bei Porsche grundsätzlich jede Farbe von einst. Der Aufpreis ist allerdings deftig, weil Anbauteile in Wagenfarbe jeweils von diversen Zulieferern beigestellt werden müssen. Es liegt also nicht an der Farbe als solcher, sondern am hohen Logistikaufwand infolge heute geringerer Fertigungstiefe. Das ist bei anderen Herstellern nicht anders.
Das relativ dunkle „Buschgrün“ oder „Leave Green“ – im Bild oben – ging leicht ins Oliv und war gedeckter als „Irischgrün“. So war „Buschgrün“ zwar nicht die sportlichste, aber mit Sicherheit eine der elegantesten Farben des Modelljahres `73. Auf einem RS ohne Schriftzüge war „Buschgrün“ maximales Understatement – ohne liebsten noch ohne dauereregierten Heckbürzel. Aber den ließ man besser dran, wenn man schweißfrei Höchstgeschwindigkeit fahren wollte. Ähnlich geschmackvoll war übrigens das „Dunkeloliv 291“ von Mercedes-Benz, in dem manche 280er Coupés/Cabriolets (W111) oder auch Pagoden-SL (W113) vorfuhren – gern mit coganacfabenen Interieur in „Leder Dattel“.
„Lindgrün“ oder „Lime Green“ ist ein deutlich hellerer, ins „Curry“ gehender Ton, wie er für die 70er Jahre sehr typisch war: Hoffnungsfroh, lebensbejahend, fernab von Aggressivität. So gesehen bezeugt „Lindgrün“ auf dem oben gezeigten `73er RS zwar artfremde, aber liebenswürdige Individualität.
Dass „Grün“ nicht nur gediegen oder verbindlich plaudern, sondern auch laut brüllen kann, dokumentieren die zwei folgenden Farben:
„Vipergrün“ war in den Modelljahren `72/73 eine aufpreisfreie Serienfarbe. Sie hatte das sehr ähnliche „Condagrün“ ersetzt, welches nur bis Modelljahr`71 lief. Die an gefährliche Reptilien erinnernden Bezeichnungen kamen nicht von ungefähr, denn „Vipergrün“ war obendrein giftig und wirkte entsprechend aggressiv. Damit verkörperte es das narrative Gegenteil der vier voranstehend gezeigten Grüntöne. Wer seinen 911 in „Vipergrün“ orderte, machte keine Gefangenen. An Selbstbewusstsein durfte es hier also nicht fehlen. Doch das hatten offensichtlich viele Kunden. Schließlich war „Überholprestige“ Anfang der 70er Jahre noch kein Unwort, „sportliche Fahrweise“ noch nicht sozial geächtet und „Macho“ durfte man(n) damals auch noch ungestraft sein. Spätestens auf Tateinheit aller drei Attitüden scheint heute Lebenslänglich zu stehen – jedenfalls, wenn man diesseits von GT3RS & Co. nach der verschwindend kleinen Zahl heutiger Porsches in Giftgrün geht.
Auch die frech ins Türkis stechende `73er Sonderfarbe „Hellgrün“ gab sich selbstbewusst – wesentlich wilder jedenfalls, als es ihre harmlos klingende Bezeichnung vermuten lässt. „Hellgrün“ sahen wir bereits oben bei der IROC, auf dem Transporter in der unteren Etage: Das zweite Auto von hinten brüllt dort in Türkis – äh, pardon: in „Hellgrün“.
Wie sich die Zeiten ändern, sieht man daran, dass Porsches Modellprogramm `73 sage und schreibe sechs reguläre Grüntöne umfasste. Heute keinen einzigen mehr.
Orangetöne
„Tangerine“ war im Modelljahr `73 gleichfalls eine aufpreisfreie Serienfarbe und äußerst beliebt. Im deutschen Sprachraum hieß es eigentlich „Blutorange“. Doch „Bloody Orange“ hatte im Angelsächsichen womöglich „Bloody German“ konnotiert, daher vorsichtshalber „Tangerine“. In der Tat ist dieses Orange so „blutig“, dass es glatt als Rot durchgehen könnte. Und das fanden viele Kunden gut. Gegen „Blutorange“ verblasst ein normales Orange nachgerade zur pazifistischen Butterblume. So dürfte „Tangerine“ die insgesamt sportlichste Porschefarbe sein, die es je gab.
„Signalorange“ ist wesentlich gelber, also „unblutiger“. „Signalorange“ ist eine geradezu archetypische 70er-Jahre-Farbe – fröhlich poppig. Allerdings war es eine aufpreispflichtige Sonderfarbe und daher weniger verbreitet als die blutige Version.
Das obige „Gulforange“ war nicht nur Reminiszenz an die Mittelstreifenfarbe der bereits erwähnten Wyer’schen Rennporsches von 1970-71, sondern auch die goldene Mitte zwischen zwischen „Blut-“ und „Signal-Orange“. Weil Sonderfarbe ist es zwar selten, aber der klarste der drei damaligen Orangetöne. Aber gleich drei davon waren sogar Porsche zuviel. Daher ersetze man die Orangenvielfalt per Modelljahr`74 durch ein einheitliches „Orange“.
Gelbtöne
Das relativ blasse „Hellgelb“ kostete keinen Aufpreis und war entsprechend weit verbreitet. Beim berühmten `73er RS war es nach „Weiß/Hellelfenbein“ die mit Abstand am häufigsten bestellte Farbe, gefolgt vom blutigen „Tangerine“.
Hier im Bild das kräftigere und wärmere, allerdings aufpreispflichtige „Signalgelb“. Mit erkennbarem Rotanteil liegt „Signalgelb“ schon relativ dicht am weiter oben gezeigten „Signalorange“, welches umgekehrt hohen Gelbanteil hat. Porsche lancierte seine „Signalfarben“ mit der Begründung, hohe Auffälligkeit trage zur Verkehrssicherheit bei – ein schneller Wagen müsse schließlich gut sichtbar sein. Die Kundschaft nahm dieses Alibi dankbar auf.
Narrativ liegen die Gelb- und Orangetöne der `70er dicht beieinander. Sie hatten dieselbe Zielgruppe und fielen auf. Gelb ist etwas fröhlicher, Orange etwas sportlicher, der Rest war reine Geschmack- bzw. Budgetfrage.
„Goldmetallic“ galt spätestens ab den 80er Jahren als „Ludenfarbe“ (um einer Diskreditierung von Sinti und Roma an dieser Stelle aus dem Wege zu gehen). Indessen erweist es sich jüngster Zeit als wieder zunehmend salonfähig. So bereist der Berliner Flaneur Friedrich Liechtenstein in einer goldenen 70er-Jahre-S-Klasse (W 116) Europas historische „Tankstellen des Glücks“ und wir alle schätzen sein liebenswürdiges Augenzwinkern – auch, was Gold betrifft.
Vordergründig mag man fragen, was solch eine Farbe auf einem `73er 911 verloren hat. Doch man muss zugeben, dass sie ihm steht. Eine gute Form kann ohnehin nichts entstellen. Heute gilt eher das Gegenteil: Je schräger bzw. krasser, desto höher das subkulturelle Potenzial.
Schlussbemerkung
Über die eine oder andere Wertung, die wir uns nicht verkneifen konnten, sollten Sie sich nicht ärgern. „Farbe“ ist nun einmal eine höchst subjektive Angelegenheit. Sie lässt sich so wenig objektivieren wie Kunst. Doch wo es der klassische 911 immerhin bis ins Museum of Modern Art geschafft hat, ist er offensichtlich auch ein Kunstobjekt.
Wie wir gesehen haben, unterliegt „Farbe“ allerdings auch wirtschaftlichen Opportunitäten und Moden. Daher – sollten Sie demnächst einen neuen Elfer bestellen – eine Bitte:
Nehmen Sie ihn nicht in Schwarz oder Graumetallic. Sein Sie mutig. 1972/73 waren Sie es ja auch.
Danke an das Porschearchiv für die zahlreich zur Verfügung gestellten Werkfotos!
Titelbild: Porsche Werkfoto
Kommentarlos KLASSE!!!!
Toll geschrieben! Auf hohem Niveau interessant und lebendig. Hier schreibt eine Auto-Liebhaberin kenntnisreich und engagiert.