Der Sieg über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg war für die Briten bitter erkauft gewesen. Zwar hatten die Bomber der Royal Air Force ab 1942 zurückgeschlagen – und in Deutschland ein Inferno entfacht, das bis zur Zerstörung Dresdens kurz vor Kriegsende 1945 reichte. Doch weil Nordamerika erst ab 1944 militärisch eingriff, hatte der Krieg Englands Wirtschaft nahezu völlig aufgezehrt – Churchill hatte „blood, toil, tears and sweat“ also keineswegs nur dahingesagt.

Am 8. Mai 1945 sollte sich Churchills berühmtes „Victory“-Zeichen bewahrheiten. Doch während Deutschland bereits ab 1947 dank Marshallplan und humanem Regime der Alliierten in der Bizone einen modernen „Kapitalstock“ aufbaute, blieb der Englands hoffnungslos veraltet. Franz-Josef Strauß hat dies einmal im deutschen Bundestag ganz sachlich und fern jeder Häme konstatiert. Eine ebenso bittere Ironie der Geschichte ist, dass die „Tommies“ bereits unmittelbar nach Kriegsende in Wolfsburg jene Volkswagen ins Laufen gebracht hatten, denen Morris und Austin spätestens ab den 70ern auf den Weltmärkten nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Dabei war das United Kingdom bis 1955 der nach den USA zweitgrößte Automobilproduzent gewesen! Der anschließende Niedergang der britischen Autoindustrie lag allerdings kaum an Volkswagen, sondern war hausgemacht. Das hatte im Wesentlichen drei Gründe:

Hauptgrund war mangelnder gesellschaftlicher Konsens: Anders als das zerschlagene Deutschland blieb das siegreiche England eine Dreiklassengesellschaft aus Adel, Gentlemen und humble Labourers. Letztere waren in ‘zig Einzelgewerkschaften organisiert, deren militante Führer durch gezielte Schwerpunktstreiks die Bänder
still stehen ließen. Wenn z. B. Türschlösser oder Seitenverkleidungen fehlten, konnten Autos nicht ausgeliefert werden. Oder schlimmstenfalls wurde in den 70ern schon einmal ein Rover 3500 mit einer andersfarbigen hinteren Türverkleidungen ausgeliefert. Was dies für das Qualitätsimage britischer Autos bedeutete, kann man sich vorstellen.

Zweiter Grund war die Ignoranz des spätestens ab „3 p. m.“ Golf spielenden Managements, welches meinte, die Commonwealth-Märkte seien dem Empire für alle Zeiten sicher. Das waren sie nicht. Rechnen konnte man bei BMC auch nicht, sondern legte bei jedem Austin Mini/ Morris Minor von Anfang an 100 Pfund drauf.

Der dritte Grund war ständiges Gegeneinander zwischen den Markendivisionen des 1968 entstandenen Konglomerats „British Leyland“ – bis heute besser bekannt als „Britisch Elend“. Unter diesem Dach waren schließlich alle britischen Volumenhersteller und größeren Zulieferer versammelt worden, wobei Jaguar Daimler und Pressed Steel bereits seit 1966 zur BMC gehört hatten. Ein klassisches Beispiel für das Chaos bei British Leyland war die Entwicklung eines eigenen V8-Motors bei Triumph für den „Stag“, obwohl die Konzernschwester Rover bereits einen – dank ursprünglich Buick – recht guten V8-Motor hatte.

Das Ende vom Lied war 1975 in letzter Not eine Verstaatlichung, um British Leyland vor dem Zusammenbruch zu retten. Vielleicht hätte die „Eiserne Lady“ Margret Thatcher diese Entwicklung verhindern können. Doch als sie 1979 Premierministerin wurde, war es für Britanniens Autoindustrie bereits zu spät…

Autor: Marcus Klippgen, Hamburg

Titelbild: © Jonathan Stutz – Fotolia.com