Bereits 2017 hatte ich hier im Blog die Vision unseres Freundes Gert Pollmann zum Thema “Historischer Rennsport der Zukunft” und seiner Studie zum “E-Racer Formula” vorgestellt. Nun wäre Gert nicht Gert, wenn er nicht langfristig an einer Sache dran bleiben würde… 😉 Ich finde, dass das Ergebnis sich sehen lassen kann!
FormulaVoltage: Wer steht dahinter und wie ist das ganze entstanden?
Auf dem Bild von links nach rechts: Georg Barton, Andreas Ross, Gert Pollmann, Jörg Kieback, und im Cockpit Marlon Peters.
Neben dem Automobildesigner Gert Pollmann, von dem hier bereits viel im Zusammenhang mit der ProtoChampSerie geschrieben wurde, stehen zwei mutige Unternehmen: ABH-Nord Batterie24 aus Kiel und Tornau Motoren aus Oldenburg in Holstein. Beide Unternehmen beschäftigen junge Marketing-Leiter, die für das Projekt FormulaVoltage brennen. Ihnen gelang es ihre jeweiligen Geschäftsführer von der Idee dieses E-Rennwagens zu überzeugen, so dass die notwendigen finanziellen Mittel von etwa 100.000,- Euro bereitgestellt wurden. In vielen Gesprächen reifte in den letzten beiden Jahren das Konzept und wurde zielstrebig umgesetzt. Nach einem Jahr Bauzeit und Tests war es vollbracht!
Ich wollte natürlich noch etwas mehr darüber erfahren, denn so einfach wie es jetzt klingt war es bestimmt nicht. Zumal die Idee bei Gert bereits vor einigen Jahren entstand. Er erzählte es mir dann in seinen Worten folgendermaßen:
Wir waren gerade nach Oldenburg aus Bayern kommend umgezogen – da wurde ich zur Barbarafeier des Truppenübungsplatzes Putlos eingeladen. Dort stellte man mir Georg Barton vor – der Eigentümer von Tornau-Motoren in Oldenburg. Wir haben uns von Anfang an prächtig verstandern. Georg kam aus Bayern und hat an derselben Hochschule wie ich – allerdings nicht Industrial-Design sondern Fahrzeugtechnik – studiert.
Georg habe ich dann zwei Jahre später zu uns zum Abendessen eingeladen, zusammen mit meinem guten Freund Jörg Kieback, der gerade das Unternehmen “Batterie24” übernommen hatte. Natürlich fragten mich die beiden “was denn so für ein ganz verrücktes Projekt” demnächst bei mir anstünde. Ich verwies auf unsere Designstudie “Yellow Sports Racer” aus dem Jahre 2011 – ein Formelrennwagen mit E-Antrieb im Look eines Formel 1-Renners der frühen 60er Jahre. Warum wurde das nicht verwirklicht, fragten mich Jörg und Georg. Macht es halt Ihr zwei, sagte ich. Einer steht für Batterien und der andere will ein Pilotprojekt im Elektrobereich, um für die Zukunft gerüstet zu sein… es dauerte nur Sekunden, in welchen sich die beiden Herren ansahen und meinten: wir machen das gemeinsam!
Ok, es dauerte dann noch ein Jahr, bis ich das Projekt so weit weiterentwickelte, dass es “rund” war. Und das Glück wollte es, dass ich Andreas Ross kennenlernte, ein begnadeter Konstrukteur aus dem – ja es ist richtig – Schwermaschinenbau! Dem es irre Spaß bereitete, “im Gegensatz zu meinem früheren Leben mal eine ganz leichte Konstruktion zu realisieren”… und der vor allem die Fähigkeit hat, auf die Leichtbauwünsche und durchaus extremen Konzeptvorgaben des Designers einzugehen…
Kurzum: Die eigentliche Entwicklung und der Bau des ersten FormulaVoltage war nach einem Jahr erledigt. Und dazu gehörte auch die Umsetzung der Idee des Designers der “sehr preiswerten selbstfedernden Radaufhängung”, welche vorher von allen berufenen Konstrukteuren als “echt gspinnerte Idee, die nur ein Designer haben kann” abgetan wurde. Die aber im FormulaVoltage funktioniert! Und das nicht zuletzt deshalb, weil der Mechaniker von Georg Barton, Shaquir Parduzzi, aus dem eigentlich gedachten “Federanschlag” die Funktion der Dämpfung erkannte…
Das Ergebnis: Der Einstiegsrennwagen mit E-Antrieb zum Preis von 30.000 Euro – aber weshalb?
Im historischen Motorsport gibt es viele schöne Veranstaltungen: Rundstreckenrennen, Gleichmäßigkeitsfahrten, Stilfahrten, Bergrennen usw. Diese farbenfrohen Events kommen aber immer mehr unter Druck: Das schöne und manchmal sehr laute Motorengeräusch ist ein Problem. Der Verbrennungsmotor oft ohne Abgasreinigungssysteme ist ein Problem – genauso wie die oft fehlende passive Sicherheit, denn da sind mitunter sehr schnelle Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten von über 200 km/h unterwegs. Oldtimer werden allgemein – auch wenn sie nur brav im Straßenverkehr unterwegs sind – wegen ihres Abgases kritisiert. Aber: das Ambiente um den Oldtimer und auch die oft daraus entstandenen langjährigen Club-Freundschaften verbunden mit den Erinnerungen an die gute alte Zeit sind wunderbar. Das soll mit Hilfe von FormulaVoltage erhalten bleiben – unbedingt. Die Konzeptidee dazu gab es übrigens schon 2011…
Der E-Antrieb hat Vorteile
Abgasfrei, leise und fast kein Wartungsaufwand. Und die oftmals geringe Reichweite passt zu den üblicherweise kurzen Stints bei historischen Veranstaltungen. Wenn gewünscht, dann kann FormulaVoltage über einen eingebauten Lautsprecher – juristisch gesehen ist das ein Radio – sogar im gesetzlichen Rahmen definierten „Lärm machen“. So hat ein Rennfahrzeug mit E-Antrieb im klassischen Look seinen ganz speziellen Reiz.
FormulaVoltage ist sehr leicht
Je nach Größe der verbauten Akkus wiegt er zwischen 350 und 400 kg. Seine Motorleistung beträgt lediglich 15 kW aber vom Start weg liegt ein kräftiges Drehmoment von etwa 600 Nm an, welches für eine beeindruckende Beschleunigung sorgt. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 100 km/h begrenzt – das erlaubt eigene individuelle Karosserieformen, die nicht mit hohem Aufwand aerodynamisch optimiert werden müssen. Die Abmessungen sind mit einer Gesamtlänge von 4,10 m, einer Breite von 1,70 m und einer Höhe von 80 cm nicht übermäßig klein. Sie entsprechen etwa dem 1,25-fachen stilistischen Vorbild, einem Formel 1-Rennwagen der frühen 60er Jahre mit ihrer damals üblichen Zigarrenform. Dies ermöglicht auch großen Fahrern eine bequeme Sitzposition und sichert ein erwachsenes und beein-druckendes Erscheinungsbild. Und auch die heutigen viel größeren Sturzhelme fallen so im Größenverhältnis nicht nachteilig auf.
Verwindungssteifes Chassis
Das sehr verwindungssteife Chassis besteht aus einem derzeit noch verschraubten Aluminium-Kastenrahmen, der bei kommenden Fahrzeugen fest verschweißt sein wird. An diesem Rahmen sind die vier selbstfedernden Radauf-hängungen, die Antriebseinheit mit Differenzial, die Akkus, der Sitz, die Crash-Elemente sowie die Karosserie verschraubt und schnell auswechselbar. Bis auf die Karosserie sind alle technischen Bauteile einschließlich der Räder- und Reifenkombination sowie der Bremsanlage normiert. Die Karosserie kann jedoch in einem reglementiertem Bereich von jedem Teilnehmer selbst gestaltet werden; das bedeutet großen Spielraum für einen individuellen und persönlichen Auftritt.
Der geplante Wettbewerb
Sobald vier Fahrzeuge fertiggestellt sind, wird es eine eigene Wettbewerbsserie im Rahmen der ProtoChampSeries geben. Es gibt eine jährlich ausgetragene Fahrermeisterschaft, gewertet wird nach den Kriterien der jeweiligen Veranstaltung mit dem Punktesystem 9-6-4-3-2-1; Sieger ist derjenige Fahrer, der im Wettbewerbsjahr die meisten Punkte erreicht hat. Bei Punktegleichheit wird nach dem ex-aeko-Verfahren entschieden: Sieger ist derjenige, der mehr vordere Plätze erreicht hat.
Ein Blick auf die Kosten
Der moderne Motorsport wird immer teurer. Um Motorsport mit Rennfahrzeugen betreiben zu wollen, benötigt der Fahrer und das oft notwendige Team sehr viel Geld. Viele Interessenten für den Motorsport scheitern aber genau daran. Ein FormulaVoltage-Renner kostet in der Anschaffung nicht mehr als EUR 30.000,-. Er benötigt übers Jahr fast keine Wartung. Die Bremsen und die vorgeschriebenen Reifen sind äußerst standfest und entstammen einem soliden Kompaktfahrzeug – sie halten ewig und verursachen somit kaum Kosten. So ist guter Motorsport mit einem höchst individuellen Rennwagen zu einem wirklich überschaubaren Preis möglich.
Bildrechte: Werkfoto ABH Nord Batterie24 und ATM Tornau Motoren
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