Der Porsche 911 Carrera RS 2.7 besitzt viele Beinamen, „Entenbürzel“, „RS“„2.7er“, aber vor allem war er zu seiner Zeit der schnellste deutsche Serienwagen und ist das erste Serienmodell mit Bug- und Heckspoiler mit dem Porsche 1972 den Trend der Heckspoiler bei Serienfahrzeugen begründet.

Vor rund 50 Jahren beginnt Porsche mit der Entwicklung des 911 Carrera RS 2.7.

Auch wenn die Modellvariante auf dem 911 beruht, wird es ein neues Basisfahrzeug für den Renn- und Rallyesport mit vielen technischen Innovationen. Das leistungsstärkste Modell der ersten Generation des 911 erhält als erster 911 den Beinamen „Carrera“ – als Krönung des Porsche-Programms. Gewicht, Aerodynamik, Motor und Fahrwerk werden intensiv bearbeitet. Etwa 15 Ingenieure entwickeln das Auto ab Mai 1972, dazu kommen Mitarbeiter aus der Produktion.

 

 

Erstmals ziert beim 911 Carrera RS 2.7 der Schriftzug „Carrera“ die Seitenansicht zwischen den Radhäusern. Das spanische Wort bedeutet auf Deutsch „Rennen“, RS auf dem Heckspoiler steht für Rennsport. Für Porsche ist die „Carrera Panamericana“ der Auslöser für die Namensgebung. Bei dem Langstreckenrennen fährt Porsche 1953 mit dem 550 Spyder erstmals einen Klassensieg ein. 1954 dann die Sensation und Initialzündung für den neuen Namenszusatz: Porsche wird mit dem 550 Spyder Dritter im Gesamtklassement. 

Die herausragende Bedeutung des Schriftzuges besteht bis heute, ebenso wie das längst berühmte Kürzel RS. 

Porsche wird vom Erfolg des Carrera RS überrascht

Porsche plant anfangs mit 500 Einheiten, um den 911 Carrera RS 2.7 für die Gruppe 4, Spezial-GT-Fahrzeuge, zu homologisieren. Es wird ein Fahrzeug mit Straßenzulassung für Kunden, die auch an Rennsportveranstaltungen teilnehmen möchten. Am 5. Oktober 1972 wird das neue Modell auf dem Pariser Autosalon an der Porte de Versailles vorgestellt, bereits Ende November sind alle 500 Fahrzeuge verkauft. Porsche ist vom Erfolg überrascht und kann den Absatz bis Juli 1973 verdreifachen. Insgesamt entstehen 1.580 Fahrzeuge, der Porsche 911 Carrera RS 2.7 wird damit zusätzlich zur Gruppe 4 ab dem 1.000sten Fahrzeug für die Gruppe 3 homologiert. 200 Fahrzeuge baut Porsche in der Leichtbauversion „Sport“, dem wählbaren Ausstattungspaket M471. In der Rennversion entstehen 55 Einheiten, 17 als Basisfahrzeug sowie 1.308 Fahrzeuge in der Touring-Version (M472).

911 Carrera RS 2.7 „Leicht“ mit nur 960 Kilogramm Leergewicht!

Beim 911 Carrera RS 2.7 „Leicht“ (M471) wird das Interieur je nach Kundenwunsch und Produktionsdatum auf das Notwendigste beschränkt, unter anderem fehlen Rücksitze, Teppiche und eine Uhr, Kleiderhaken und Armlehnen. Zwei leichte Sitzschalen ersetzen auf Kundenwunsch schwerere Sportsitze. Sogar das Porsche-Wappen auf der Fronthaube wird anfangs geklebt. Im Vergleich zum Ausstattungspaket „Touring“ (M472) wiegt der „Sport“ 115 Kilogramm weniger, kommt auf 960 Kilogramm Leergewicht. Sein Preis: 34.000 Mark. Wählbar ist nicht noch ein Sport-Paket und das Touring-Paket. Mit der Wahl des Ausstattungspakets definiert sich die jeweilige Version des 911 Carrera RS 2.7.

Der 2,7-Liter-Sechszylinder-Boxer mit Benzineinspritzung leistet beim 911 Carrera RS 2.7 starke 210 PS bei 6300 U/min und entwickelt 255 Nm bei 5.100 U/min. Das reicht in der Sport-Version für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 5,8 Sekunden. Damit durchbricht der 911 Carrera RS 2.7 als erster Serienwagen die Sechs-Sekunden-Marke der deutschen Fachzeitschrift auto, motor und sport. Die Höchstgeschwindigkeit liegt jenseits von 245 km/h. (Touring 6,3 Sek., 240 km/h). Der RS 2.7 wird zur idealen Synthese zwischen Gewicht, Leistung, Aerodynamik und Fahrverhalten.

Leichtgewicht mit verbesserter Aerodynamik

Bei der Karosserie geht es um Gewichtsreduzierung: Mit Dünnblechen, dünnen Scheiben, Kunststoffteilen und dem Verzicht auf Dämmung muss das Fahrzeuggesamtgewicht der Rennwagen auf unter 900 Kilogramm sinken, um das neue Modell homologisieren zu können. Gleichzeitig soll die Aerodynamik besser werden: Bei hohen Geschwindigkeiten gilt es, den Auftrieb an Vorder- und Hinterachse zu minimieren, um ein neutraleres Fahrverhalten zu erzielen. Die Ingenieure Hermann Burst und Tilman Brodbeck entwickeln gemeinsam mit dem Stylisten Rolf Wiener erstmals einen Heckspoiler, testen ihn im Windkanal sowie auf Versuchs- und Teststrecken. Ziel der Überlegungen ist es, den formal geschlossenen Charakter des 911 zu erhalten, den Nachteil des abfallenden Hecks durch geeignete und stilistisch vertretbare Maßnahmen zu kompensieren und damit die Aerodynamik des 911 zu verbessern.

Der neue „Entenbürzel“ drückt mit seiner Erhebung den 911 Carrera RS 2.7 bei schneller Fahrt Richtung Straße und versorgt den Heckmotor mit zusätzlicher Kühlluft. Dabei wird der Effekt ohne Luftwiderstandserhöhung erzielt – im Gegenteil: Die Höchstgeschwindigkeit wächst um 4,5 km/h.

Die ersten Rennerfolge des Carrera RS 2.7

Nach dem geänderten Reglement bei den Sportprototyen, die eine Weiterführung wegen der neuen Hubraumgrenze von drei Litern verhindert hat, beendet Porsche die sehr erfolgreiche Ära. Nach dem Renndebüt eines 911 Carrera RSR (Renn-SportRennen) mit einer stark verbreiterten Karosserie bei der Tour de Corse im November 1972 entschließt sich Porsche für 1973, die Erfolgsgeschichte des 911 im Rennsport auszuweiten. Anfang Februar 1973 geht beim 24-Stunden-Rennen von Daytona ein von Peter Gregg und Hurley Haywood pilotierter RSR mit 22 Runden Vorsprung durchs Ziel. Ein fulminanter Start in die neue Saison. Herbert Müller und Gijs van Lennep gewinnen im Mai 1973 bei der Targa Florio. 

In der ersten Saison erringt der 911 Carrera RSR drei internationale und sieben nationale Meisterschaften – und begründet damit den Erfolg des 911 für die nächsten Jahrzehnte. Beim International Race of Champions (IROC) im Oktober 1973 setzt Roger Penske aus den USA zwölf identische 911 Carrera RSR 3.0 ein, in denen Fahrer aus unterschiedlichen Rennklassen gegeneinander antreten.

 

Wer den Carrera RS 2.7 in Ruhe aus der nähe betrachten möchte, kann ab dem 20. September 2022 die Sonderausstellung im Porsche Museum besuchen.


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