Erlebnisbericht von Henner Ruth, Braunschweig


 Vom 24.-26.7 fanden die Porsche Club Days am Hockenheimring statt

So rief mich mein Freund Günter an und fragte, ob ich denn ihn und unseren Freund Leo dort unterstützen möchte. Ich sagte sofort zu denn es macht immer Spaß Leo mit seinem Chevron B16 Rennwagen auf der Rennstrecke zu verfolgen.

Gesagt, getan. Standesgemäß fuhren wir mit einem Porsche Turbo in Richtung Hockenheim um Leo mit seinem etwas betagten Winnebago Chieftain Motorhome auf der Strecke zu treffen. Schon die Anfahrt zauberte ein leichtes Grinsen ins Gesicht wenn der Turbo seine volle Kraftentfaltung zeigen durfte.

 

Nahe Darmstadt trafen wir dann das Gespann an der Autobahnraststätte um gleichzeitig dort Bekanntschaft mit 6 Hybrid-LKW-Sattelzügen zu machen die die E-Highway-Versuchsstrecke bei Langen/Mörfelden testeten. Es ergab sich ein kurzes und interessantes Informationsgespräch am Rande unseres geplanten Vorhabens.

 

Als wir schließlich das Motodrom in Hockenheim erreichten, holte uns die bittere Realität ein

Das Coronavirus holt eben jeden ein. Es sollte ein Wochenende ohne Zuschauer werden und die Auflagen in Sachen Gesundheit und Sicherheit hatten auch hier Einzug gehalten: A.H.A. (Abstand-Hygiene-Alltagsmasken). So muss schon hier mal bemerkt werden, wie aufwendig allein die Vorbereitungen für das Wochenende sind. Formulartraining für Fahrer, Techniker und das Auto. Sichere Verladung des Rennwagens inklusiv der Ersatzteile und Betriebsstoffe.  Reservierung des Motorhome-Stellplatzes mit Box in der Boxengasse. Auch wenn es sich „nur“ um ein Hobby handelt, so ist der Aufwand inklusive der Kosten schon nicht unerheblich.

Im Fahrerlager angekommen, herrschte schon ein reges Treiben. Hinter der engen Boxengasse musste platzsparend geparkt werden um allen Transportfahrzeugen in jeder erdenklichen Dimensionierung das Abladen zu ermöglichen. Da ist schon fahrerisches Können gefragt die Trailer und Sattelzüge zentimetergenau rückwärts zu platzieren.

Nicht immer ist eine arbeitserleichternde  Hydraulik zur Hand, so dass bei uns vieles mit Muskelkraft erledigt werden musste. Meine Mitarbeit war willkommen. Der gemütliche Teil schien gekommen, als das Fahrzeug abgeladen war, die Werkzeugkisten griffbereit platziert waren und ein Stromanschluss für uns gesichert war. So erging es auch den anderen Teams die in unserer Gemeinschaftsbox ihr Domizil aufschlugen. Schnell wurde deutlich dass Hilfsbereitschaft untereinander ein ungeschriebenes Gesetz ist, „per Du“ ist Normalität, der Alltagsberuf, Geld etc . spielen im Miteinander keine Rolle. Alle  arbeiten hier nur in der Welt ihres Hobbies – ein schönes Gefühl.

Nun stand er da, der Chevron B 16, eine bildschöne, formbetonte Diva in British-Racing-Green

In ihrer Gitterrohrkonstruktion mit glasfaservertärkter Kunststoffkarosserie ist ein Ford Cosworth Vierzylinder verbaut mit ca. 200 PS  die aus 1,9 Liter Hubraum erwachsen und zu einem Leergewicht (ohne Fahrer) von etwa 660kg führen. Eigentlich schade dass solch eine Grazie in den Produktionsjahren 1969 und 1970 nur 23 Mal hergestellt wurde, wobei die Nr. 23 schließlich in die wohl behütenden Hände von Leo kam.

Leo mit seinen rüstigen 80 Jahren sollte die Diva pilotieren

Nun trat erstmal Ruhe ein wobei diese Diva mit Ihren gerade mal 50 Lenzen das Kücken in unserem Team war. Leo mit seinen rüstigen 80 Jahren sollte die Diva pilotieren. Günter, der am gleichen Tag wie Leo Geburtstag hat, aber erst 75 Jahre  alt ist, war der Chef im Ring und ich mit meinen 64 Jahren der Stift im Team. So sollten die Tage zeigen, dass wir vielleicht nicht die schnellsten in der Box waren, aber unser Charme war sehenswert und schließlich trennt sich dann auf der Strecke die Spreu vom Weizen .

Am nächsten Morgen war Teambesprechung um 8 Uhr im Winnebago angeordnet

Leo hat den Kaffee schon vorbereitet und schnell war klar, dass noch einiges zu tun war bevor der erste Trainingslauf stattfinden sollte. Leo als Fahrer musste noch zur Fahrerbesprechung und der Chevron zur technischen Abnahme. Anschließend musste der Wagen noch vorbereitet werden. Der Reifenluftdruck wurde geprüft, die Zündkerzen wurden gewechselt, alle Betriebsstoffe geprüft, Benzin aufgefüllt, das Wasser im Motorkreislauf auf 70 Grad vorgewärmt, die Spiegel eingestellt, die Fenster gesäubert, die Batterie geladen werden und, und, und……das Auto sollte schließlich unmittelbar nach dem ersten Zündfunken sofort voll betriebsbereit sein.

Alles lief wie Günter es generalstabsmäßig geplant hatte. Allerdings darf dann bei aller Professionalität nicht unerwähnt bleiben, dass sich eine gewisse Komik in der Box breit machte. Unser Alter machte sich hier und da doch schon bemerkbar. Ich hatte leichte Luftnot nachdem wir das Auto bis zur Abnahme geschoben hatten. Günter musste sich dann doch ab und zu mit seinen Gelenk- und Rückenbeschwerden in die unendlichen Weiten des Motors bemühen. Und Leo zwängte sich bei sommerlichen Temperaturen in seinen Overall, den Helm und schließlich in den Fahrersitz.

Nachdem wir dann noch die Motorhaube geschlossen und gesichert, die Frontmaske aufgesteckt und das Auto aus der Box geschoben hatten, waren alle Knochen spürbar.

Die Spannung stieg und für Leo kam das Zeichen den Startknopf zu drücken

Aber schon fuhren die ersten Wagen an uns vorbei in die Startaufstellung. Die Spannung stieg und für Leo kam das Zeichen den Startknopf zu drücken. Ein kurzes Ächzen und schon fauchte es sofort aus allen Rohren. Noch schnell die Ladebatterie entfernt und die Kabinenhaube geschlossen und los ging es. Die erste Zufriedenheit war erreicht, Leo war auf der Bahn und das Dröhnen der Motoren machte sich im Motodrom breit. 

 

Als der Chevron dann schließlich mit voller Leistung die Start und Zielgerade durchpflügte und sich in die Nordkurve duckte war für Günter die Welt in Ordnung – die Diva zeigte sich in ihrem schönsten Kleid und erzeugte bei diesem Auftritt bei jedem ein innerliches Raunen. 

Nach fast 30Minuten war der erste Trainingslauf vollendet und Leo kam zurück in die Box

Für ihn war es der erste Saunagang und die körperliche Belastung war ihm anzusehen. Nachdem er sich aber aus dem Rennanzug gepellt, Wasser aufgefüllt hatte, war auch bei ihm die Welt in Ordnung – „Eigentlich wäre ich gerne weiter gefahren“. Der Cheque des Wagens anschließend zeigte dass unsere Erwartungen erfüllt wurden. Am Nachmittag folgte das zweite Training das nach dem gleichen Prozedere ablief und somit ein gutes Omen für das Rennen darstellte.

Natürlich trennen uns da Welten wenn man die Porsche GT3 sieht

Somit war auch genügend Zeit sich die anderen Klassen mal anzusehen um auch deren fahrerisches Können zu begutachten. Und natürlich trennen uns da Welten wenn man die Porsche GT3 sieht. Wie aber auch immer die Technik  im Wandel der Zeit sich entwickelt, letztendlich ist das Auto auch nur so gut wie der Fahrer der es pilotiert.

Und so muss ich vorweg ein kräftiges Chapeau an unseren Leo geben der sich da durchaus sehr gut mit der jungen Generation auseinandersetzt. Natürlich sieht man nicht ob jede Kurve auf der Ideallinie durchfahren wird,  aber wenn man am Ende der Zielgeraden vor der Nordkurve zusieht, dann kann man gut sehen und hören wann der Fuß vom Vollgas genommen wird, wann und wie in die Bremse getreten wird. Respekt Leo!

So ist auch der folgende Tag mit dem Rennen nur die Ergänzung zu dem Preludium. Allerdings darf ich diesmal den Batteriewagen von der Box bis zum Vorstart schieben, da die Startaufstellung beim „fliegenden Start“ nicht auf der Strecke erfolgt. Also raus aus der Box und jetzt per Pedes weiter. Das Auto steht schon in der richtigen Position und geduldiges Warten bei brütender Hitze bis endlich die Zeichen kommen „2Minuten“. Noch mal die Spiegel korrigieren und Leo rückt im Helm die Brille zurecht. „30 Sekunden“, Leo startet den Motor und der Chevron ist sehr gut im Starterfeld zu hören. Grüne Flagge, los geht´s, die Diva nimmt die Witterung des Motodrom auf. Und beim Passieren der Startflagge dröhnt die Horde in Richtung der Nordkurve. Es geht weiter über die „Bernie Ecclstone Kurve“ in die lang gezogene „Parabolika“ bis zur Spitzkehre. Nachdem die unteren Gänge  bemüht wurden, erreicht man das Motodrom bis es letztendlich durch die Südkurve wieder auf die Start und Zielgerade geht. 4,574 km, 17 Kurven, 6 Geraden bei einer Fahrbahnbreite von 15m, das ist der Ring seit 2002.

 

Mittlerweile haben Günter und ich auch wieder zu Fuß den Weg bis zur Zielgeraden erreicht und schon ist der Chevron in der Nordkurve zu sehen. Am Scheitelpunkt der Kurve gibt der Vierzylinder alles, geht aus dem Windschatten an zwei Konkurrenten vorbei und bremst am Ende der Geraden einen weiteren aus. Günter strahlt über das ganze Gesicht. Was wollen wir mehr. Da spielt dann die Platzierung keine Rolle mehr. Leo musste in der Auslaufrunde den Motor abstellen da er Zündaussetzer hatte. Er wird am Abschleppseil zur Box geschleppt. Die Siegerehrung und der Pokal geraten in der Box in Vergessenheit und die Zufriedenheit überstrahlt alles.

Jetzt ist „nach dem Rennen, vor dem Rennen“ und der Abend wird gefüllt mit Bier und Benzingesprächen. Günter sinniert schon über die Zylinderkopfdichtung und versinkt in Gedanken.

 

Am nächsten Morgen kommen wir nur langsam in Gang

Dunkle Wolken und Regen über dem Motodrom. Das Einpacken und Aufladen hat etwas von Katerstimmung. Bald aber sind wir mit dem Turbo auf dem Rückweg nach Norden und auch Leo gibt telefonisch Rückmeldung dass der Winnebago die Kassler Berge leicht nimmt. Einzig ein paar Regentropfen arbeiten sich bei ihm durch die betagte Decke.

Ein kurzweiliges Wochenende neigt sich zu Ende und die in die Jahre gekommenen Protagonisten dürfen ihr müdes Haupt betten. Zu Hause angekommen löst sich dann auch noch eine Zahnkrone. Da war dann der Turbo doch zu hart eingestellt.